Als die Welt noch unterging: ENGEL IN AMERIKA von Bastian Kraft

New York, Mitter der 1980er Jahre: Entfremdung, Vereinsamung, Hedonismus, AIDS, das Ozonloch, Reagan und natürlich Geld regieren die Welt, die von Gott verlassen wurde, wie wir in „Engel in Amerika“ erfahren. Regisseur Bastian Kraft, der zuletzt virtuos „Die Sehnsucht der Veronika Voss“ nach dem gleichnamigen Film von R.W. Fassbinder am Thalia in der Gaußstraße inszeniert hat, bringt mit „Engel in Amerika“ wieder einen filmischen Stoff auf die Bühne: Das gleichnamige Theaterstück von Tony Kushner wurde 2003 als HBO-Fernsehserie verfilmt und mehrfach ausgezeichnet. Weiterlesen

Terror + Angst: ICH RUFE MEINE BRÜDER von Jonas Hassen Khemiri

„Schweiß, Rucksack, Bohrkopf und das Messer in der Hosentasche“

…viel braucht es nicht, um Terrorangst zu schüren. Vor allem im Kopf von Armor, einem jungen, fantasievollen und etwas wirren jungen Menschen, den die überall präsente Angst vor Terror terrorisiert. Armor, der offensichtlich einen sogenannten „migrantischen Hintergrund“ hat, steigert sich immer mehr in die Panik hinein, als Terrorist verdächtigt werden zu können und bemüht sich Weiterlesen

Frauenliebe + Männerwerk: Eirik Stubø inszeniert GERTRUD von Hjalmar Söderberg

Liebe ist ein großes Wort„, sagt Gertrud, eine gebildete Frau, ehemalige Sängerin, mit einem aufstrebenden Politiker verheiratet, dennoch unabhängig aber auch unglücklich, im ersten Akt. Liebe ist in dieser Inszenierung nicht das einzige große Wort, denn der norwegische Regisseur Eirik Stubø inszeniert das bereits 1906 geschriebene Stück GERTRUD von dem schwedischen Autor Hjalmar Söderberg als sehr reduziertes Erzähltheater, das dem Gesagten genügend Raum lässt. Weiterlesen

Das Theater mit der Jelinek

Elfriede Jelinek ist in der kleinen und überschaubaren Theaterwelt von Hamburg gerade unumgänglich.

Im November habe ich ja bereits über DIE SCHUTZBEFOHLENEN nach Elfriede Jelinek in der Regie von Nicolas Stemann am Thalia Theater geschrieben Weiterlesen

Herbert Fritsch + SCHULE DER FRAUEN am SchauSpielHaus Hamburg, Teil II

Anders als bei Filmen kommt es bei Theaterstücken eher selten vor, dass ich mir eine Inszenierung mehrfach ansehe. Mit Ausnahme der zwölfstündigen Wahnsinnsvision BORKMAN von Vegard Vinge + Ida Müller im Prater der Volksbühne, die ich dreimal überlebt habe und deren Folgeschäden ich jetzt noch spüre.

Gestern habe ich die SCHULE DER FRAUEN nach Molière in der Inszenierung von Herbert Fritsch am SchauSpielHaus Hamburg zum zweiten Mal gesehen. Warum? Weiterlesen

Theater + Politik: DIE SCHUTZBEFOHLENEN von Elfriede Jelinek

Elfriede Jelinek hat „Die Schutzbefohlenen“ ursprünglich im Zusammenhang mit der Inszenierung „Kommune der Wahrheit. Wirklichkeitsmaschine“ von Nicolas Stemann als direkte Reaktion auf die Ereignisse der im Mittelmeer harvarierten oder in Italien und später auch in Österreich und Deutschland gelandeten Lampedusa-Flüchtlinge geschrieben. Ihr Text ist entsprechend wütend, aber auch Ausdruck einer Hilflosigkeit: Weiterlesen

Alles Lug + Trug! Oder „The Great Pop Swindle“

Alles Lug und Trug. Oder "The Great Pop-Swindle"»I can do whatever I want to. I talk to me, I even agree« Blondie

Fraktus haben Techno erfunden – so die Behauptung. Pop lebt von Behauptungen, vom Vorgeben. Von der Möglichkeit und Freiheit, etwas zu sein, was man sein will. Das hat Tradition in der Popkultur: Das freie Spiel mit Identitäten, schönem Schein und Kunstfiguren ist nicht nur Gang und Gebe, sondern praktisch eine der Grundbedingungen, um im immer schnelllebigeren Popzirkus überhaupt bestehen zu können. Neues Image = neues Produkt = neuer Gewinn. So die Rechnung, die ungefähr genauso verlässlich aufgehen dürfte wie „mehr wirtschaftlicher Wachstum = mehr Wohlstand für alle“. Weiterlesen

SCHULE DER FRAUEN von Herbert Fritsch am SchauSpielHaus Hamburg

Wahnsinn mit Methode

SCHULE DER FRAUEN von Herbert Fritsch am SchauSpielHaus Hamburg. Foto: Adrian Anton

SCHULE DER FRAUEN von Herbert Fritsch am SchauSpielHaus Hamburg. Foto: Adrian Anton

Während DER RAUB DER SABINERINNEN am Thalia Theater wie eine etwas fade Kopie von der [S]PANISCHEN FLIEGE an der Volksbühne wirkte, ist die SCHULE DER FRAUEN tatsächlich extrem gut gelungen: Albern und witzig, aber spitzzüngig und hintergründig. Fritsch verlässt sich dieses Mal weniger auf Slapstick und Hysterie, sondern mehr auf Wortwitz und Absurdität, was der inhaltlichen Ebene Weiterlesen

MY BODY IS A STAGE oder Körper-Inszenierungen auf der Bühne

In letzter Zeit habe ich mir nach Theaterbesuchen häufiger Gedanken darüber gemacht, wie Theater nicht nur Stücke, sondern Menschen inszeniert. Theater kommt nie ohne seine Schauspieler aus, die Schauspieler verwenden meist unglaublich viel Energie, Kraft und Zeit für ihren Beruf. Das hinterlässt natürlich seine Spuren. Und damit meine ich nicht eventuelle Mimik-Falten oder unreine Haut vom vielen Make-Up. Weiterlesen

Survivor: TSCHICK – nach dem Roman von Wolfgang Herrndorf

Die Romantisierung und Dramatisierung von Pubertät und alle damit verbundenen Jugendkulte sind mir generell suspekt. Genau wie der Hype um Romane, die diese Thematik und Sehnsüchte bedienen. Dennoch habe ich mich immer wieder, bisher aber erfolglos, um Karten für die ständig ausverkauften Vorstellungen von TSCHICK – nach dem Roman von Wolfgang Herrndorf, inszeniert von Christopher Rüping im Thalia in der Gaußstraße, bemüht. Weiterlesen